Vernissage zur Ausstellung "ERDE UND HOLZ"
Am 4. Oktober 2014 fand in Mannheim die Vernissage zur Ausstellung "ERDE UND HOLZ" mit Skulpturen von Gerd Reutter und Erhard Seiler statt. Weiter unten können Sie die Einführung von Martin Odermatt zur Ausstellung lesen. Neben zahlreichen Gästen war auch ein Fernsehteam vom SWR gekommen.
ERDE UND HOLZ - Skulpturen von Gerd Reutter und Erhard Seiler
Unter dem Titel ERDE UND HOLZ begegnen sich mit den Tonarbeiten von Gerd Reutter und den Holzfiguren von Erhard Seiler zwei künstlerische Positionen, die trotz der Unterschiede im verarbeiteten Material und im spezifischen Modus der Ausgestaltung in ihrer Zusammenschau als zwei Antworten auf ein zentrales gestalterisches Problem gelesen werden können: das Problem der ›narrativen‹ Skulptur.
So gestaltet Gerd Reutter entweder zurückhaltend bearbeitete Tonelemente zu mehrteiligen Arrangements, denen im Zusammenspiel von elementarer Sinnlichkeit und geheimnisvoller Bedeutung die Aura des archäologischen Fundstücks oder -orts eignet; daneben findet man komplex angelegte skulpturale Einheiten, die meist in ein optisches Spiel der Gegenüberstellung von innerer und äußerer Form bzw. des Widerspruchs von scheinbar schwereloser Form mit massiver Materialität inszenieren.
Erhard Seilers Holzskulpturen sind hingegen immer offensichtlich aus einem massiven Stück Holz aufwändig herausgearbeitete, solitäre Figuren. In ihrer Ausgestaltung bewegen sich die Skulpturen auf einer Skala, die von zurückgenommener monolithischer Klarheit bis zur komplexen Auffächerung sich wiederholender Formen reicht; die Oberflächen sind entweder naturbelassen und meist poliert oder durch Beflammung künstlich verwittert. Oft findet sich in Erhard Seilers Arbeiten eine vegetabile Formensprache, bei der komplexe Formen aus der massiven Basis der Skulptur zu erwachsen scheinen.
Eine zeichentheoretisch orientierte Lesart findet die Schnittmenge, in der sich beide skulpturalen Positionen konzeptionell treffen, in der ästhetischen Interpretation der Arbeiten als räumliche Bedeutungsträger eines rätselhaften Narrativs. Gerd Reutters mehrteilige, seriell angelegte Skulpturen evozieren dabei tiefere Sinnzusammenhänge im Arrangement naturhafter Elemente zu archaischen Architektoniken und/oder Landschaften. Seine auf komplexe Formspiele ausgelegten Arbeiten lassen sich, ebenso wie Erhard Seilers monolithische Skulpturen, als bedeutsame Spuren einer beseelten Naturgeschichte lesen.
Erhard Seilers komplexer strukturierte Figuren fokussieren diese Tendenz ins Hieroglyphische, wobei im abstrahiert-floralen Moment ihrer Formensprache eine spezifische symbolische Bedeutung niedergelegt scheint, ein Code, dessen eindeutige Entschlüsselung nicht mehr möglich ist. Oft unterstützen und lenken assoziative Titel die narrative Lesart der Arbeiten.
Bei beiden Künstlern trägt überdies der Werkstoff zur Evokation einer bedeutsamen narrativen Symbolik bei, indem der schieren materiellen Präsenz sowohl von Ton – das Material des Schöpfungsaktes – als auch von Holz – das seit dem Mittelalter als spirituelles Material qualifiziert ist – eine auratisch-mediale Qualität der repräsentativen Überhöhung eignet.
Martin Odermatt (BKK / Zeitgleich Zeitzeichen 2014)