Katalog SKULPTUREN 1991 - 2001
Zu den Plastiken von Gerd Reutter

Lida von Mengden Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen

Den Ton sinnlich erleben, zwischen den Fingern fühlen, und seine Materialität für den Betrachter sichtbar machen, das ist eines der grundlegenden Anliegen für Gerd Reutters Gestalten.

Der Schüler des Darmstädter Keramikers Klaus Lehmann, der erst spät zum künstlerischen Arbeiten fand, hat sich darüber hinaus einige der gestalterischen Überzeugungen seines Lehrers zu eigen gemacht: die Betonung der Materialqualität des Tons, die Bevorzugung konstruktiver Formen, das Glasieren mit Engobe, einem Tonschlick, der die Oberfläche nicht zudeckt, sondern „offen" hält, und keine Farbe im eigentlichen Sinne ist, und das Gestalten im kleinen Format.

Gerd Reutters Ausgangsmaterial sind flache oder gerollte Tonplatten. Aus einzelnen Elementen fügt er die Plastiken konstruierend zusammen. So entstehen häufig Werke, die an Gebäude erinnern, an Architekturfragmente oder Bauteile. Die einzelnen Elemente, aus denen die Arbeiten zusammengesetzt sind, scheinen meist nicht direkt verbunden, scheinen dem Betrachter vielmehr als wären sie als einzelne Körper belassen und wie lose zusammengestellt. Deshalb ist diesen Arbeiten ein gewisser offener, manchmal auch fragmentarischer Charakter eigen , wie insgesamt der Eindruck des absichtsvollen Rohen, ja sogar scheinbar nicht Ausgearbeiteten, bewusst eingesetzt wird. Deshalb belässt Reutter die Oberfläche seiner Werke in einem rauhen, offenporigen Zustand, der auch durch die Färbung mit Engobe nichts von dieser Qualität verliert. Niemals würde man bei ihm geglättete Oberflächen oder Formabläufe finden; selbst die von den Keramiken abgegossenen Bronzen haben diese grundsätzliche Offenheit des Ausdrucks bewährt.

In Reutters Formenrepertoire finden sich bevorzugt eckige Formen; dennoch setzt der Künstler kein strenges geometrisches System ein, er betont vielmehr Diagonalstrukturen, Kippformen und weicht von einer strengen Rechtwinklichkeit häufig ab. Aber auch die Verbindung von kantigen mit runden Elementen wird eingesetzt, und zu röhren-oder turmartigen Gebilde aufgebaut. Selten jedoch wendet er sich organoiden Formen zu wie in den Arbeiten „Flügel" oder „Ausgeraubt".

Nahezu allen Werken ist eine duale Struktur immanent; gegensätzliche Phänomene wie Statik und Labilität, Offenheit und Geschlossenheit, abstrakte und figürlich anmutende Elemente instrumentieren den Aufbau und ganz wesentlich, Fläche steht in einer vielfältig gedeuteten Beziehung zum Raum.

Ein Überblick über die Arbeiten in der Ausstellung zeigt. Dass in allen Arbeiten Reutters der Raum im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung steht. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass gebäudeähnliche Strukturen häufig in einen angedeuteten Landschaftsraum eingebunden werden, so dass die Polarität von freier Landschaftsformation und den gebauten, konstruierten Elementen sichtbar wird.

mmer lotet der Künstler das Verhältnis zum Umfeld, zwischen Innen und Außen aus. So entstehen Kontraste von Flächen Volumen, Hohlraum und Raumbegrenzung, von Innen-und Außenraum. Die offenporige Oberfläche der Plastiken, und verstärkt die Spannung zwischen den einzelnen Elementen.

Reutters Plastiken entwickeln einen Spielraum unterschiedlicher Kräfte, dessen Dynamik den Blick des Betrachters zum genauen Sehen auffordert.

Mein Dank geht an erster Linie an den Künstler, durch dessen Engagement Ausstellung und Katalog zustande kamen. Doch ohne die Unterstützung des Heny Roos und Dr. Werner Ludwig-Fond, der Stadt Mannheim, Eichbaum Brauerei und Ritter Sport hätte der Katalog in der vorliegenden Form nicht realisiert werden können. Dafür herzlichen Dank!

Lida von Mengden